„Abbiocco“ ist ein Wort, das es im Deutschen nicht gibt. Es bedeutet – so erklärten uns unsere Austauschpartner – „Müdigkeit nach einem guten, füllenden Essen“ und beschreibt damit wahrscheinlich den Dauerzustand von uns 30 deutschen Schülerinnen und Schülern im Land der Pizza und Pasta. 

Am 23.3.2023 startete unsere Reise nach Giaveno. Nach langer Busfahrt durch die Schweiz, während der sich Aufregung sowie das Letzte-Minute-Vokabellernen steigerten, erwarteten uns unsere Gastfamilien bereits am  Gymnasium des Ortes, des Istituto Blaise Pascal, mit offenen Armen.  

Benvenuti in Italia! 

Der erste Kulturunterschied machte sich schon bei der gemeinsamen cena bemerkbar: So schaufelte ich mir Pasta über Pasta auf den Teller…bis zum Platzen – und wurde dann vom Secondo, dem zweiten Gang, überrascht, gefolgt von einer hausgemachten macedonia als Nachtisch. Mangia, mangia! Von Focaccia bis Farinata, von Risotto bis Ravioli, von Melanzane bis Minestrone, von Tiramisu bis Torta; hungern mussten wir nie, so viel wie uns geboten wurde. 

Interessant war auch zu erleben, wie italienische und deutsche Schulen sich unterscheiden. Wir durften Freitagvormittag das Liceo Blaise Pascal besuchen und waren doch alle sehr überrascht, welcher Fokus dort auf Geschichtswissen und Literatur gelegt wird. Meine Austauschpartnerin zum Beispiel schrieb einen Test über „Maria Stuart“ – das hatten doch wir Muttersprachler erst dieses Jahr gelesen! 

Weiter ging es dann mit dem Besuch der „Sacra di San Michele“, einer imposanten, auf Felsen errichteten Abtei, gefolgt vom Besuch der Altstadt von Avigliana und, selbstverständlich, zum Abschluss einem caffè – molto gustoso! 

Natürlich wurde Italienisch in den Familien gesprochen, doch selbst wo sich die Kommunikation anfangs auf „bene“ und „grazie“ beschränkte, hörte sich die Sprache spätestens nach dem Wochenende so vertraut an, dass auch wir Deutschen uns mit „ciao“ begrüßten und ein „si“ statt „ja“ geläufig wurde. Unsere liebsten kuriosen Wörter? „Suma bin chiapa“ (in dialetto für siamo bravi, wir sind toll) sowie „patato“, das Wort für Kartoffel, was aber auch ein Kosename für kleine Kinder ist. Und das waren lediglich zwei Beispiele, was wir deutsche Kartoffeln neu dazu lernten. 

An besagtem Wochenende bemühten sich unsere Familien sehr, uns die Region zu zeigen. Viele besuchten Turin, la capitale del Piemonte, fuhren in die Alpi oder besichtigten die Gärten und Kunsthallen der Reggia di Veneria. Das volle Kulturprogramm gipfelte in einem von der Klasse 4g organisierten Pizza-Abend mit anschließendem Carnevale, wobei das Schönste dabei die Gemeinschaft war. Alle Italiener waren offen und herzlich und integrierten uns, als wären wir Teil der Klasse. Schon nach den ersten Tagen wurde aus der „tedesca“ eine „amica“, dann eine „sorella“ (Schwester). 

Konnte der scambio überhaupt besser werden? Certo, denn das wohl „italienischte“ erwartete uns noch: Ein Tag am Meer. So verbrachten wir unseren Montag mit einer Wanderung entlang der ligurischen Küste bei Spotorno, sowie einer Runde Baden – und bei der Kälte das Wassers lernten wir verrückten „pazzi“ auch schnell, auf Italienisch zu fluchen. Oddio, che freddo! 

Abwechslung nach diesem Feriengefühl bot dann die Stadtführung durch Turin am nächsten Morgen und der Palazzo Barolo. Albas Altstadt und Castello Cavour (ein Weingut) folgten am Mittwoch – bei all dem spannenden Programm verflog die Zeit (viel zu) schnell, sodass wir erst bei der festa della ultima serata realisierten: Der Abschied ist nah. Über den Kummer tröstete nicht einmal das Tanzen vom ballo di gruppo hinweg. Aber auch wenn bei der Busabfahrt die Tränen flossen, waren wir doch alle um eine Erkenntnis reicher: 

La dolce vita bezieht sich nicht nur auf das beste gelato der Welt, sondern die herzlichsten Familien und süßesten Freundschaften, die hoffentlich noch über die Schulzeit hinweg bestehen bleiben. 

Von Wunja Zürn, Q12

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